Bereits vor Wochen machten Tierschützer gegen Ponyreiten auf dem Lukasmarkt front. Mit pauschalen Anschuldigungen und dramatischen Bildern riefen sie dabei zum Boykott auf. Wir machten uns selbst ein Bild und besuchten Stefan Bügler auf seinem Ponykarussell.
Mit dem Fassanstich begann vergangenen Samstag der Lukasmarkt. Bei bestem Wetter verzeichnete das Ponyreiten den ersten Andrang. So ist es in jedem Jahr. Denn fast jeder Mayener hat hier erste Erfahrungen auf dem Pferderücken gesammelt und viele möchten diese Erfahrung an ihre Kinder und Enkelkinder weitergeben. Das Ponykarussell blickt auf eine lange Tradition zurück und gehört zum Lukasmarkt für viele dazu, wie gebrannte Mandeln und Selbstfahrer.
Im Fokus der Tierschützer
Tierschützer sehen das jedoch anders. Sie argumentieren mit Quälerei und enormen Stress durch Jahrmarktlärm. Noch vor dem Start tauchten im Internet Protestaufrufe gegen das Ponyreiten auf. Untermauert mit kontextlosen Bildern werden dramatische Zustände geschildert, die zunächst weder mit dem Lukasmarkt, noch mit der Region in Zusammenhang zu stehen scheinen. „Das sind doch gar nicht meine Pferde“ wehrt sich Karussellbetreiber Stephan Bügler zu Recht. „Im Internet kursieren Bilder, die mit mir und meinen Tieren nichts zu tun haben.“ Der junge Mann ist verärgert und erklärt, dass er mit den Tieren zusammenlebt und sie gut behandelt, weil sie seine Existenz sind. „Die Pferde behandele ich besser als mich selbst oder meine Mitarbeiter“ sagt er überspitzt und zeigt uns seinen mobilen Betrieb. Er erklärt, dass er mit 16 Tieren zum Lukasmarkt kommt, während nur fünf oder sechs Ponys in der Arena laufen. Er achte darauf, dass die Tiere häufiger Pausen bekommen, als gesetzlich vorgeschrieben. „Auf den Tieren sitzen kleine, unerfahrene Reiter“ sagt Bügler. „Denken Sie, da lasse ich die Tiere so lange arbeiten, wie ich dürfte?“

Gepflegte Unterbringung
Auf dem Weg zur Unterbringung erzählt er uns, dass er mit seinen Ponys maximal 80 Tage im Jahr auf Volksfesten ist. Auf dem kurzen Weg zur Stallung wird es ruhig. Bügler wird still, damit wir uns selbst ein Bild machen können. Entlang der dicken Stadtmauer geht es in einen Hinterhof unter dem Rosengarten. Dicke Mauern halten den Lärm des Marktes zurück und wir stehen in einem riesigen Hof, in dem eine Stallung aufgebaut ist, hinter der die Ponys zudem noch Auslauf haben. Einige scheinen gerade das Sonnenlicht zu genießen, während sich andere gerade über eine Ballen Stroh und Weizenkleie hermachen. „Auf dem Jahrmarkt ist es alles ein wenig…“ Bügler hält kurz inne „Der Pferdemist steht halt neben meinem Wohnwagen und kann nur früh morgens weggefahren werden. Aber es geht alles, wenn man will.“ Er erzählt, dass die Stadt, insbesondere der Marktmeister, ihn in allen Belangen zum Wohl seiner Tiere unterstützt. Er komme gerne nach Mayen, schon seit er ein kleiner Junge war und nach der Schule lieber am Ponykarussell seines Vaters half, als mit anderen zu spielen.

Gegen Mittag formieren sich dann Tierschützer neben dem Ponyreiten. Für Bügler ist die Demonstration des Vereins Arche Noah keine Überraschung. Man kennt sich. Dem Tierschutzverein aus Neustadt-Neschen im Westerwald ist Bügler mit seinem Betrieb kein Unbekannter. Mit einer Demonstration und Unterschriftensammlung reisen die Demonstranten dem Betrieb wohl hinterher und erzählen stolz, dass sie mit ihrem Einsatz in Neuwied bereits das Ponyreiten auf der Kirmes abschaffen konnten. Man sieht sich als Tierschützer in der Pflicht, dem „Leiden“ der Tiere ein Ende zu bereiten. „Tiere sind keine Maschinen“ ist eine ihrer zentralen Plakatbotschaften. Ein Gespräch mit dem Mediensprecher des Vereins verläuft über die üblichen Argumente der Tierquälerei: Kirmeslärm, Monotonie und schlechte Behandlung. Wir fragen den Tierschützer, ob man sich vor der Demonstration selbst ein Bild von den Tieren und Ihrer Behandlung gemacht hat oder das Gespräch mit dem Betreiber gesucht habe. Ein „Nein“ ist die klare, aber ausweichende Antwort.
Man kenne ja den Vater
Wir konfrontieren den Tierschützer mit den Ergebnissen unsere Recherche. Falsifizieren seine Aussagen, dass die Tiere zusammengepfercht untergebracht werden und widerlegen mit Fotobeweis, dass die Ponys den ganzen Vormittag in der Arena stünden. Wir bieten an, gemeinsam mit ihm die Stallung zu besuchen, damit er uns auf Missstände hinweisen könne, die wir vielleicht übersehen würden. Kein Interesse. „Wir hatten in der Vergangenheit bereits mit dem Vater des Betreibers Kontakt und der Apfel fällt ja bekanntlich nicht weit von Stamm“ war die umschreibende Antwort. Unserem Argument, dass dies nur pauschale Ausflüchte sind, will man nicht folgen.

Wir geben klar zu verstehen, dass wir in dem Ponykarussell keine Tierquälerei erkennen können. Die Ponys würden ebenso wie Reitlernpferde an einer Longe im Kreis laufen. Die Zustände in der provisorischen Stallung wären besser, als wir sie in manchem Reiterhof feststellen könnten und Dr. Simone Nesselberger vom Kreisveterinäramt würde bestätigen, dass es in Mayen keine Mängel geben würde. Im Gegenteil: „Die Ponys sind in einem guten Zustand und die Besitzer kümmern sich gut um sie.“ Hinsichtlich der artgerechten Haltung habe der Veterinärdienst beim Ponyreiten nichts zu beanstanden.

Danach verlor das Gespräch mit dem Sprecher der Tierschützer etwas an Substanz. Im Raum standen auf einmal seine Andeutungen von Pferden unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln und einer maulgeknebelten Veterinärin der zuständigen Behörde. Die ursprünglich sachliche Diskussion wurde vom Sprecher der Arche Noah in den Bereich der (Verschwörungs)Theorien geführt. Belege konnte er für keinen seiner vielen Vorwürfe vorbringen. Als wir der Diskussion nicht auf dünnes Eis folgen wollten, konzentrierte er sich nur noch auf das seelische Leid der Tiere und sprach der Veterinärin jedwede Kompetenz ab, wenn sie den Begriff „Artgerecht“ mit Kirmespferden in Einklang bringen würde.

Was ist eigentlich artgerecht?
An diesem Punkt wurde klar, dass „Artgerecht“ ein Gummibegriff ist, der für Auslegung ähnlich viel Freiraum bietet, wie „unangepasste Geschwindigkeit“ in der Straßenverkehrsordnung. Die Arche Noah argumentiert, dass Pferde Lauf- und Fluchttiere sind. Demnach wäre dann aber jede Haltung, ja sogar jedes Reiten auf einem Pferd alles andere als artgerecht. Auch Hunde wären in einer Wohnung mit viermal Auslauf pro Tag ebenso artwidrig gehalten, wie Fische im Aquarium. „Sie können ein Leid nicht mit einem anderen Leid rechtfertigen“ war hier der Ausweg des ambitionierten Tierschützers, der letztlich nicht mehr die Zustände auf dem Karussell am Lukasmarkt im speziellen kritisieren wollte. „Aber die gesetzlichen Richtlinien sind unzureichend!“ hielt er schließlich als letztes Argument hoch. Das wiederum ist eine sehr persönliche Meinung, die auch jedem zusteht. Nur muss man sich dann um eine Änderung der Gesetze bemühen, statt die Existenz eines Karussellbetreibers mit öffentlichen Aufrufen zum Boykott zu bedrohen. Insbesondere wenn dieser die gesetzlichen Richtlinien des Tierschutzes offensichtlich mehr als einhält.
Würde man in diesem Bericht an Stelle von “Tierschützer” richtigweise von “Tierrechtler” — das Eine hat bekanntermaßen mit dem Anderen absolut nichts gemein — sprechen, dann könnte man dem Verfasser eine saubere Recherche bescheinigen.
Als Tierschutz bezeichnet man Aktivitäten von Menschen, die darauf abzielen, Tieren ein artgerechtes Leben ohne Zuführung von Leid, Schmerzen und Schäden zu ermöglichen. Tierrechtler sind hingegen Menschen, die teilweise jegliche Nutzhaltung von Tieren ablehnen. Der von Ihnen angeführte Unterschied der Tierschutzbewegung ist in diesem Fall nicht klar auszumachen. Ein Grund im Übrigen, warum auch Tierrechtler mitunter in den Medien als Tierschützer bezeichnet werden. Es vermeidet Verwirrung im gängigen Sprachgebrauch. Selbst die Demonstranten und Internet-Aktivisten kommunizieren meist nur den Tierschutz.
Der Unterschied der Begrifflichkeit ist mir also sehr wohl bekannt. Wo Sie jedoch einen Zusammenhang zwischen der verwendeten Begrifflichkeit und der Qualität der Recherche sehen, ist mir unklar. Zumal durch die Demonstration neben dem Ponykarussell, den Schildern und verteilten Medien ein direkter Bezug zu einzelnen Tieren vor Ort entstanden ist. Dieser Bezug wurde für die Unterschriftenaktion der Demonstranten auch bewusst genutzt. Daher waren diese Personen für mich — wie für viele andere auch — Tierschützer.
Sehr gut … es gibt viel zu wenige solcher Berichte, danke!
Auch wenn ich udo udo recht geben muss — und Ihnen mit der verallgemeinernden Antwort auch.
Sehr gute Recherche. So kommt die Demonstration in das richtige Licht.
Sehr geehrter Herr Schmitz.
Das war endlich mal ein aufschlussreicher und Informativer Bericht so wie man ihn sich wünscht. Was diese angeblichen Tierschützer da versucht haben rüber zu bringen haben sie doch leider viel zu sehr falsch gemacht. Ich selbst habe mir die Demonstration am Samstag Mittag angesehen und habe mir die Schilder und Plakate durchgelesen. Diese Personen haben mich auch angesprochen ob ich für Ihre Aktion unterschreibe. Als wir ein wenig ins Gespräch kamen fielen mir 2 Hunde auf die angebunden in der knallen Sonne Lagen ohne wenigstens ein wasserschählchen. Als ich fragte zu wem diese Hunde gehören bekam ich zur Antwort natürlich zu uns. Wo ich darauf erwiederte wer hier der tierquäler sei, ein Tier angebunden in der Sonne und ohne Wasser zu lassen, wurde ich “freundlich” gebeten zu gehen. Also Schluss endlich ein ganz toller Verein der ohne Hintergrund wissen eigentlich so ziemlich alles falsch macht wofür es solche Organisationen eigentlich gibt. Leider.
Wie gesagt klasse berichtet. Weiter so. Mfg